BIKINI BERLIN - DIE EVOLUTION DES DEUTSCHEN EINKAUFSERLEBNISSES
Die Revolution oder besser gesagt „Amerikanisierung“ des deutschen Einkaufszentrums begann zur Jahrtausendwende. Bestes Beispiel hierfür ist das deutschlandweit verbreitete Arcaden-Konzept, das etwas seelenlos die gesamte Filialisten-Vielfalt des Einzelhandelsspektrums offeriert. Dank den Arcaden kann jeder gleichermaßen mondän durch die identischen Einkaufswelten flanieren, egal ob er sich in der Großstadt oder in Buxtehude befindet. Auch in gastronomischen und unterhaltungstechnischen Belangen wird auf die üblichen Verdächtigen gesetzt – andere könnten sich den qm-Preis auch nicht leisten. Die Rechnung geht bis dato auf und die komplexen Einkaufswelten - pardon besser gesagt Einkaufskomplexe - sind bei Investoren immer noch hoch im Kurs.
Als Gegenbewegung dazu entstand fast zeitgleich der Concept Store. Die Ursprungsform davon charakterisiert sich zusammengefasst durch folgende Faktoren:
- die Kunstwelt beeinflusst die Produktpräsentation stark (Anm.d.Red.: ein als Unikat dargestelltes Produkt verkauft sich heutzutage einfach besser)
- eine Kaffeebar bzw. das „Special-Treatment-Paket“ lädt zum Verweilen ein
- die Selektion der Produkte gilt als besonders gefiltert, manchmal gar als kuratiert
- die Räumlichkeiten wurden vorher anderweitig genutzt z.B. als Druckerei (Andreas Murkudis) oder Schlosserei (Voo Store)
Jetzt entwickelt sich aus beiden Einkaufskonzepten eine eigene Spezies. Sozusagen Shopping 3.0. Dafür wurde übrigens extra ein neuer Anglizismus kreiert namens CONCEPT MALL, der nun wie ein Zauberwort für das hippe zeitgemäße Shoppingerlebnis firmiert. Der Pionier darunter ist das Bikini Berlin im ehemaligen Wertheim (richtig - das war ein Kaufhaus also sozusagen die zweite Evolutionsstufe der Einkaufserlebnisse). Die Concept Mall im geschichtsträchtigen Bikinihaus beschreibt sich selbst als progressiv und zeitgemäß. Irgendwie hat sie auch Recht dabei. Sie ist keine eigene Welt, sondern vielmehr ein eigener Kosmos. Der Besucher schlendert durch flexible Modulsysteme aus Holz, die junge Ideen, Produkte und Konzepte von Blowdry über Berliner Senf zu Grüner Mode anpreisen. Dazu kommt der Concept Space, der das hippe, serbische Retailkonzept „Supermarket“ beheimatet, der ein Sammelsurium an alten und neuen Lieblingsmarken aus Mode und Design ist, sondern vielmehr auch Bar, Restaurant und „Raum“ für wechselnde Veranstaltungen aller Art wie beispielsweise Kunst-, Medien- und Szene-Projekte, aber auch Modeschauen und Dinnerkonzepte wie Prêt-a-Diner. Ergänzt wird das Bikini Berlin noch mit dem Art Center, das sich dem globalen und kreativen Austausch verschrieben hat sowie dem 25hours Hotel mit eigener Bar und Restaurant. Danke Bikini Berlin, dass du uns das „Hippsein“ nochmal deutlich erleichtert und gleichzeitig doch wieder ziemlich verkompliziert hast. Zumindest kann man bei dir der kommunalen Politik keine verantwortungslose Planungshoheit attestieren.
Redaktion: Nina Ilnseher